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Engagement in einer ungleichen Gesellschaft: Schwellen erkennen und abbauen

Von Petra Keller und Sarah Gräf 

In Deutschland engagieren sich 29 Millionen Menschen ehrenamtlich. Doch wie finden sie ins Engagement? Reichen eine kurze Internetsuche, ein Kontakt oder ein Flyer? Für manche ja, andere stoßen auf Hindernisse, die sie vom Engagement in Non-Profit-Organisationen oder zivilgesellschaftlichen Initiativen abhalten. Während viele diese Schwellen kaum bemerken, sind sie für andere nur mit Kraft und Mut zu überwinden. Sie führen oft dazu, dass wichtige Perspektiven in den Organisationen fehlen und bereits marginalisierte Personen auch hier ihre Interessen nicht vertreten können. Zivilgesellschaftliche Organisationen müssen sich mit diesen Zugangshürden auseinandersetzen. Nur so wird der Weg für möglichst viele Menschen frei, die sich für sozialen Zusammenhalt und eine aktive Demokratie einsetzen wollen. 

Der 4. Engagementbericht der Bundesregierung beleuchtet Schwellen im freiwilligen Engagement und gibt konkrete Empfehlungen, um sie abzubauen. In diesem Fokus-Thema bieten wir eine Übersicht des Berichts und erarbeiten erste Schritte für Non-Profit-Organisationen, die zivilgesellschaftliches Engagement inklusiver und zugänglicher gestalten wollen.


Schwellen im zivilgesellschaftlichen Engagement

Zivilgesellschaftliches Engagement spielt in vielen Feldern eine tragende Rolle: Menschenrechte, Klima- und Umweltschutz, Sport, Kultur, soziale Unterstützung und Selbsthilfe, Rettungsdienste und Katastrophenhilfe. Auch in der Jugend-, Bildungs- und Senior*innenarbeit ist freiwilliges Engagement nicht wegzudenken.

Engagierte Menschen können hier ihre Interessen aktiv einbringen und die Gesellschaft in Teilbereichen mitgestalten. Der Zugang zu diesen Formen von Engagement ist jedoch nicht nur für eine plurale Zivilgesellschaft wichtig. Engagierte erleben durch ihr Handeln, dass sie etwas zum Gemeinwohl beitragen können, gewinnen Vertrauen und Anerkennung oder setzen sich kritisch mit gesellschaftspolitischen Themen auseinander. 

 

In einer ungleichen Gesellschaft, ist allerdings auch der Zugang zum Engagement ungleich verteilt. Die Hürden entstehen nicht erst innerhalb der Organisationen, sondern bereits in der Gesellschaft, wo bestehende Machtverhältnisse und strukturelle Diskriminierung Menschen daran hindern können, sich aktiv zu beteiligen. Der 4. Engagementbericht identifiziert 13 wesentliche Schwellen, die strukturell, sozial oder praktisch bedingt sind:

Die 13 Schwellen im Engagement

  1. Kosten im Engagement: Wer aus finanziellen Gründen mehrere Jobs ausüben muss, hat wenig Spielraum für zusätzliches Engagement. Auch die Fahrt zum Engagement-Ort oder der Kaffee danach sind Kosten, die anfallen und ein Engagement erschweren können.
  2. Zeit(autonomie): Insbesondere junge Menschen verfügen aufgrund gestiegener Anforderungen (z.B. durch Ausdehnung des Schulalltags) über weniger frei verfügbare Zeit. Viele Menschen haben aufgrund von Beruf, Familie und anderen Verpflichtungen nur begrenzt Zeit für Ehrenamt und Engagement.
  3. Diskriminierung und Ansprache: Unbewusste Normsetzungen innerhalb von Organisationen können zu Ausgrenzungen führen.
  4. Fehlende Partizipationsmöglichkeiten: Mangelnde Mitsprache und Teilhabe können demotivierend und ausgrenzend sein.
  5. Politisch motivierte Gewalt: Anfeindungen, besonders gegen demokratieförderndes Engagement, stellen eine ernsthafte Bedrohung dar.
  6. Fehlende Räume: Fehlende oder ungeeignete Räume schränken die Möglichkeiten für Begegnungen und gemeinsame Aktivitäten für Engagement ein. Räume in Großstädten sind für kleine und weniger privilegierte Gruppen oft nicht bezahlbar.
  7. Repräsentation: Fehlende Diversität kann abschreckend wirken. Die mangelnde Repräsentation reproduziert Ungleichheit: Eigene Themen werden als Minderheiten-Themen gesehen.
  8. Digitalisierung: Mangelnde digitale Kompetenzen oder mangelnde technische Ausstattung können ausschließend wirken.
  9. Rechtliche Engagementvoraussetzungen: Gesetzliche Bestimmungen, wie Staatsangehörigkeit und Alter als Vorgabe, können Zugangshürden darstellen. 
  10. Bürokratie: Wachsende administrative Anforderungen machen Engagement, besonders in Vorstandspositionen, unattraktiver.
  11. Förderung: Kurzfristige Projektförderungen führen zu Prekarisierung und Unsicherheit.
  12. Unsichtbarkeit informellen Engagements: Nicht alle Formen des Engagements werden gleichermaßen anerkannt. Informelles Engagement wird oft nicht gesehen, z.B. bei migrantischen Personen, die sich außerhalb von Vereinsstrukturen engagieren.
  13. Schwierigkeit, Kritik zu üben: Engagement wird meist als etwas grundsätzlich Positives wahrgenommen, wodurch problematische Aspekte, wie mögliche Ausschlüsse und Diskriminierung in der Organisation, selten thematisiert werden.

Der 4. Engagementbericht der Bundesregierung

Der 4. Engagementbericht der Bundesregierung untersucht, warum sich verschiedene soziale Gruppen unterschiedlich stark freiwillig engagieren. Im Fokus stehen dabei Merkmale wie Einkommen, Bildungsabschluss, Erwerbsstatus, Migrationshintergrund, Alter und Behinderung. Ziel des Berichts ist es, die Zugangschancen zum freiwilligen Engagement differenziert zu analysieren und Empfehlungen zu geben, wie insbesondere benachteiligte Gruppen besser einbezogen und langfristig gestärkt werden können.

Der Engagementbericht liefert eine wichtige Grundlage für das gesellschaftspolitische Handeln von Staat, Wirtschaft und Zivilgesellschaft. Künftige Maßnahmen zur Förderung des Engagements sollten daran gemessen werden, ob sie Barrieren abbauen und Inklusion fördern – oder ob sie bestehende Ungleichheiten verschärfen. 

"Im Engagement werden viele relevante Bereiche der Gesellschaft mitgestaltet. Wenn Menschen mit höherem Einkommen, höheren Bildungsabschlüssen und ohne Migrationshintergrund in fast allen Bereichen des Engagements überrepräsentiert sind – dann bedeutet das, dass sie ihre Vorstellungen besser umsetzen können – und dass weniger privilegierte Gruppen Gesellschaft im Engagement weniger mitgestalten können."

– Prof. Dr. Chantal Munsch, Vorsitzende der Sachverständigenkommission des 4. Engagementberichts der Bundesregierung


Diskriminierung als strukturelle Barriere im Engagement

Engagement entsteht nicht im luftleeren Raum, sondern spiegelt die Ungleichheit der Gesellschaft wider. Menschen, die Diskriminierung erfahren, rechnen auch im Engagement damit. Um sich davor zu schützen oder erneute Ausgrenzung zu vermeiden, verzichten sie deshalb häufig darauf, sich einzubringen. Diskriminierung wird im Engagement teils durch Strukturen erlebt, oft aber durch andere Engagierte selbst, etwa durch Ausschlüsse, stereotype Zuschreibungen oder paternalistisches Verhalten.

 

Der 4. Engagementbericht zeigt, dass insbesondere soziodemografische Merkmale wie Einkommen, Bildungsabschluss, Erwerbsstatus, Migrationshintergrund, Alter und Behinderung Einfluss auf die Möglichkeit haben, sich zu engagieren. Diese ungleiche Beteiligung verstärkt soziale Ungleichheit über das Engagement hinaus. Soziale Netzwerke, der Erwerb von Kompetenzen – etwa in Leitungsfunktionen –, Prestige und Anerkennung sind nur einige Vorteile, die Engagement mit sich bringt und die Ungleichheit weiter verschärfen. Wie zeigt sich Diskriminierung als unsichtbare Barriere im Engagement?

Unsichtbare Normen und fehlende Repräsentation

  • Unausgesprochene Regeln, sprachliche Codes oder finanzielle Hürden, etwa durch Fahrtkosten oder Teilnahmegebühren, definieren oft informell, wer als „passend“ gilt und wer nicht.
  • Menschen, die diesen Normen nicht entsprechen, können subtile Ausschlüsse erleben – sei es durch eine dominante Kommunikationskultur, fehlende Barrierefreiheit oder eine implizite Erwartungshaltung, wie „richtige“ Engagierte sein sollten.
  • Fehlt darüber hinaus die Repräsentation bestimmter Gruppen, spiegeln sich ihre Erfahrungen und Perspektiven auch nicht in Themen, Formaten oder Entscheidungen wider.
  • Fehlende Repräsentation in Führungspositionen kann abschreckend wirken. Sie reproduziert auch Ungleichheit: Die Themen marginalisierter Gruppen werden als Minderheiten-Themen gesehen.
  • Wenn marginalisierte Gruppen lediglich das unentgeltliche Engagement ausführen sollen, jedoch in hauptamtlichen Strukturen nicht vertreten sind, verstärkt das die Ungleichheit.

Vertrauensverlust und emotionale Belastung

  • Diskriminierung kann das Vertrauen in Institutionen und die Hoffnung auf Veränderung nachhaltig untergraben.
  • Diskriminierungserfahrungen schaffen oft ein Gefühl der Entfremdung und machen es für betroffene Personen schwieriger, sich in Organisationen zu engagieren, die sie als nicht inklusiv oder respektvoll wahrnehmen. Diese Erfahrungen können zu einem Rückzug führen.

Symbolische Inklusion ohne Machtverschiebung

  • Setzen Organisationen auf oberflächliche Diversitätsmaßnahmen, etwa durch diverse Bildsprache in der Öffentlichkeitsarbeit oder einzelne Inklusions-Events, bleibt die Machtverteilung unangetastet. Entscheidungsstrukturen wie Gremienbesetzungen, Vorstände oder Programmentwicklung ändern sich nicht.
  • Betroffene empfinden solche Maßnahmen oft als „Alibi-Handlungen“. Sie dürfen Vielfalt symbolisieren, haben aber kaum Einfluss auf strategische oder inhaltliche Entscheidungen.
  • Zudem wird die Verantwortung für Diskriminierungssensibilisierung häufig auf die Betroffenen selbst abgeschoben. Sie leisten überproportional viel emotionale und bildende Arbeit. Diese bleibt meist unbezahlt und ohne strukturelle Anerkennung.

Ausrichtung an privilegierten Lebensrealitäten

  • Ehrenamt wird häufig mit hoher Verfügbarkeit, Flexibilität und Eigeninitiative verknüpft. Das begünstigt vor allem Menschen mit zeitlichem, körperlichem und finanziellem Spielraum.
  • Wer Care-Verpflichtungen hat, mit Behinderungen lebt oder in prekären Arbeitsverhältnissen steckt, kann diese Anforderungen oft nicht erfüllen. So entstehen strukturelle Benachteiligungen.

Rückzug oder Engagement? Wie Menschen auf Diskriminierung reagieren

Eine Befragung des DeZIM-Instituts zeigt: Viele Menschen reagieren auf Diskriminierungserfahrungen mit sozialem Rückzug. Besonders Frauen, TIN*-Personen, armutsbetroffene Menschen und Menschen mit Behinderungen ziehen sich nach solchen Erlebnissen häufig zurück. Dieser Rückzug kann individuell schützen und das Wohlbefinden stärken – eine Strategie des Selbstschutzes. Doch wer sich zurückzieht, wird weniger sichtbar, und die Anliegen dieser Gruppen finden in der Gesellschaft weniger Beachtung. Aktives Engagement gegen Diskriminierung bietet zwar größere Chancen, Veränderungen zu bewirken, erfordert jedoch oft mehr Ressourcen und kann zu weiteren Diskriminierungserfahrungen führen.

Rückzug oder Engagement: Wie reagieren verschiedene Gruppen auf Diskriminierung? DeZIM, 2024

In 6 Schritten zum Abbau von Schwellen

Der 4. Engagementbericht der Bundesregierung macht deutlich: Zugangshürden im freiwilligen Engagement sind vielfältig und häufig in den Strukturen der Organisation selbst verankert. Wer mehr Menschen für Beteiligung gewinnen will, muss aktiv daran arbeiten, Ausschlüsse abzubauen.

 

Die folgenden sechs Handlungsfelder bieten eine erste Orientierung, wie Schwellen diskriminierungskritisch und inklusiv abgebaut werden können.

1. Organisationskultur diskriminierungskritisch gestalten

Der 4. Engagementbericht benennt institutionelle Diskriminierung explizit als zentrales Hindernis für Teilhabe. Eine diskriminierungskritische Organisationskultur bedeutet, interne Strukturen, Sprechweisen und Privilegien kontinuierlich zu hinterfragen und Raum für Irritation, Kritik und Veränderung zu schaffen.

Reflexionsfragen:

  • Begreifen wir uns als lernende Organisation – auch im Umgang mit Diskriminierung?
  • Werden interne Schwellen zum Engagement bei uns thematisiert?
  • Sind wir uns bewusst, dass Rassismus, Klassismus und Ableismus auch in unserer Organisation zu Ausschlüssen führen kann?
  • Überprüfen wir unsere internen Privilegien und Machtstrukturen auf Ausschlüsse?
  • Wie sicher ist der Raum für marginalisierte Perspektiven, auch in Leitung und Entscheidungsstrukturen? Fördern wir gezielt eine diverse Besetzung, insbesondere in Führungspositionen?
  • Wie gehen wir mit Irritation, Kritik und Fehlern um?
  • Haben wir regelmäßige institutionalisierte Sensibilisierungsmaßnahmen und Selbstverpflichtungen?
  • Reflektieren wir unsere Sprechweisen und gestalten wir aktiv eine inklusive Ansprache? Reproduzieren wir Defizitperspektiven?

2. Beteiligung strukturell ermöglichen

Der Abbau von Schwellen im Engagement erfordert oft konkrete strukturelle Veränderungen. Auch wenn die Organisation es nicht beabsichtigt, wirken finanzielle, sprachliche, digitale oder bürokratische Hürden für viele Menschen ausschließend. Wenn ein Engagement ermöglicht werden soll, bedeutet das für die Organisationen Verantwortung für den Abbau von Barrieren zu übernehmen und Beteiligung als kontinuierlichen Lernprozess zu begreifen.

 

Reflexionsfragen:

 

  • Gibt es finanzielle Unterstützungsmodelle für Fahrtkosten, Kinderbetreuung oder Barrierefreiheit?
  • Gibt es Beteiligungsformate, die Rückmeldungen ernst nehmen und umsetzen?
  • Ist unsere Teilnahme wirklich niederschwellig oder nur scheinbar offen?
  • Wer hat in unserer Organisation das Mandat, auf Barrieren hinzuweisen? Wer trägt die Verantwortung, sie zu beseitigen?
  • Bieten wir flexible Zeitmodelle und digitale Beteiligungsformate an?
  • Stellen wir digitale Barrierefreiheit sicher, etwa durch Übersetzungen oder Vorlesefunktionen?
  • Sind unsere Verfahren zur Beteiligung, Anmeldung und Kostenerstattung niedrigschwellig und unbürokratisch?
  • Bieten wir Informationen in einfacher Sprache und in mehreren Sprachen an?

3. Kooperationen und Powersharing

Viele etablierte Organisationen sind sich der eigenen Position im zivilgesellschaftlichen Gefüge nicht bewusst. Kooperation auf Augenhöhe heißt, eigene Macht kritisch zu reflektieren und Ressourcen, Zugänge oder Sichtbarkeit zu teilen. Der 4. Engagementbericht betont, dass Partnerschaften strategisch angelegt sein sollten. Nicht als symbolische Geste, sondern als Ausdruck von echter Veränderungsbereitschaft.

Reflexionsfragen:

  • Arbeiten wir strategisch mit bisher marginalisierten Gruppen und/oder Selbstorganisationen zusammen?
  • Teilen wir Ressourcen, Zugänge und Entscheidungsmacht? 
  • Setzen wir uns mit den Machtverhältnissen auseinander? Wie reflektieren wir unsere eigene Machtposition als etablierte Organisation?
  • Haben wir Formate des Powersharings entwickelt und werten wir diese aus?
  • Haben wir gemeinsame Lernprozesse mit unseren Kooperationspartner*innen etabliert oder bleiben wir im beratenden Modus?

4. Engagierte schützen

Zunehmende Bedrohungen, Angriffe und Einschüchterungsversuche gefährden nicht nur Einzelne, sondern auch das Engagement als demokratische Praxis insgesamt. Schutz bedeutet nicht nur rechtliche Beratung, sondern auch öffentliche Haltung, institutionelle Solidarität und präventive Sensibilisierung. Besonders betroffen sind oft Menschen, die sich gegen Diskriminierung engagieren oder selbst marginalisiert sind. Hier braucht es eine klare Positionierung und konkrete Schutzmaßnahmen.

 

Reflexionsfragen:

 

  • Schützen wir Engagierte aktiv vor politisch motivierter Gewalt und Einschüchterung?
  • Werden Engagierte über rechtliche Möglichkeiten informiert und beraten?
  • Zeigen wir öffentlich Haltung für bedrohte Engagierte?
  • Gibt es psychosoziale Unterstützungsangebote für Engagierte, die belastenden Situationen ausgesetzt sind?
  • Bieten wir safer spaces und Empowermenträume für von Diskriminierung betroffene Engagierte an?
  • Wie gestalten wir Prävention gegen Bedrohungen und demokratiefeindliche Einflussnahme?

5. Engagementvielfalt anerkennen

Obwohl sich Engagement heute vielschichtig zeigt – informell, digital, projektbasiert oder außerhalb klassischer Vereinsstrukturen – bleiben diese Formen oft unsichtbar oder werden geringer bewertet. Eine Anerkennung und Sichtbarkeit dieser Engagementformen bedeutet nicht nur Wertschätzung, sondern auch ein Signal an potenzielle neue Engagierte.

Reflexionsfragen:

  • Werden auch informelle, projektbezogene oder digitale Engagementformen bei uns wertgeschätzt?
  • Passen unsere Anerkennungsformate (z. B. Urkunden, Öffentlichkeitsarbeit) zu den vielfältigen Engagementformen unserer Zielgruppen?
  • Passen unsere Mitgestaltungsmöglichkeiten zu den realen Lebensbedingungen und Motivationen unserer Zielgruppen?
  • Gibt es Raum für Engagement, das nicht dauerhaft oder regelmäßig stattfinden kann?

6. Politische Bildung und Haltung stärken

Demokratie braucht Räume, in denen politisches Denken, Diskriminierungskritik und gesellschaftliche Zusammenhänge reflektiert werden können, gerade auch im freiwilligen Engagement. Politische Bildung ist laut Engagementbericht ein zentraler Schutzfaktor gegen antidemokratische Einflüsse und Ideologien. Sie sollte nicht nur für Hauptamtliche, sondern auch für ehrenamtlich Engagierte zugänglich und kontinuierlich verankert sein.

Reflexionsfragen: 

  • Bieten wir Angebote zur politischen und diskriminierungskritischen Bildung auch für Ehrenamtliche an?
  • Ermöglichen wir die Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Machtverhältnissen und den eigenen Positionierungen?
  • Fördern wir eine gemeinsame Haltung gegen Diskriminierung? Auch nach Innen?
  • Haben wir Konzepte, um mit Anfeindungen oder antidemokratischen Aussagen im Engagementfeld umzugehen?

Auf den Punkt: Was NPOs aus dem 4. Engagementbericht mitnehmen können

  • Freiwilliges Engagement ist kein Selbstzweck, sondern eine Form gelebter Demokratie und sozialer Teilhabe. Es stärkt gesellschaftlichen Zusammenhalt und ermöglicht Menschen Selbstwirksamkeit, Mitgestaltung und Anerkennung.
  • Engagement muss individuell möglich sein, unabhängig von Alter, Geschlecht, sexueller Orientierung, Herkunft, Bildungsstatus oder Einkommen.
  • Zugänge zum Engagement sind ungleich verteilt. Strukturelle Barrieren wirken – oft ungewollt – ausschließend, insbesondere gegenüber marginalisierten Gruppen.
  • Viele Organisationen glauben, „für alle offen“ zu sein, ohne zu reflektieren, wie subtil soziale Ungleichheit (re)produziert wird. Offenheit reicht nicht, es braucht eine diskriminierungskritische Praxis.
  • Repräsentation, Mitsprache und ausgeglichene Machtverhältnisse sind zentral: Symbolische Inklusion ohne reale Teilhabe verstärkt soziale Ausschlüsse.
  • Inklusive Engagementförderung bedeutet auch, sich für gleichberechtigten Zugang zu Fördermitteln einzusetzen. Auch für kleine oder neu gegründete Initiativen.

Quellen und Verweise

Vierter Engagementbericht - Zugangschancen zum freiwilligen Engagement – Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Reduktion sozialer Ungleichheiten durch freiwilliges Engagement? – Jauch, Christin / Maecenata Institut für Philanthropie und Zivilgesellschaft

Jung und vielfältig, aber noch nicht politisch beteiligt? – SVR-Studie 2025-1, Sachverständigenrat für Integration und Migration

Freiwilliges Engagement in Deutschland. Zentrale Ergebnisse des Fünften Deutschen Freiwilligensurveys (FWS 2019) – Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Rückzug oder Engagement: Wie reagieren verschiedene Gruppen auf Diskriminierung? Ergebnisse einer Bevölkerungsbefragung– DeZIM-Institut

Zur Unterstützung der Recherche und Vorformulierung sowie Lektorat von Teilen der Texte wurde ChatGPT eingesetzt.

Aus der Friedrich-Ebert-Stiftung

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